„Eine Startup-Factory ist eine Spinne im Netz“

© Christian Kudle

Worauf kommt es an, damit Startup-Factories wie die „Impossible Founders“ in Hamburg zum Erfolg werden? Was können Stiftungen hier beitragen? Und wie sind die deutschen Chancen für Deep Tech? Antworten von Prof. Helmut Schönenberger, Leiter von UnternehmerTUM in München.

Herr Professor Schönenberger, es führen viele Wege zur Startup-Förderung. In Hamburg gibt es seit Kurzem die „Impossible Founders“, gefördert unter anderem von der Joachim Herz Stiftung. Impossible Founders ist eine gemeinnützige Startup-Förderinitiative, die gezielt wissenschaftliche Forschung in marktfähige Deep-Tech-Startups überführt und so die Lücke zwischen Labor und Markt überwinden will. Was macht die Impossible Founders besonders? 

Zunächst einmal ist es ein großer Wettbewerbsvorteil, dass die Impossible Founders in Hamburg angesiedelt sind. Denn Hamburg ist ein enorm fruchtbarer Boden für Innovation und Ausgründungen. Dort sind alle wesentlichen Zutaten, die es braucht: Hervorragende Universitäten und Hochschulen, außerdem gibt es exzellente Forschungseinrichtungen, große Stiftungen und eine starke lokale Wirtschaft. Aus all diesen Bereichen kommen übrigens auch die finanziellen Träger der Impossible Founders. Zudem ist die Stadtverwaltung stark engagiert beim Thema Innovationen. 

Impossible Founders

Impossible Founders ist eine gGmbH, sie befindet sich zunächst in der Trägerschaft der Michael Otto Stiftung und der Joachim Herz Stiftung. Wissenschaftliche Kooperationspartner sind die Universität Hamburg, die Technische Universität Hamburg und das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY. Von Unternehmensseite wird das Vorhaben bisher von der Hamburger Sparkasse, dem Halbleiterhersteller Nexperia und der Otto Group unterstützt. Die Organisation ist das neue zentrale, bündelnde Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, damit Ausgründungen aus der Wissenschaft systemisch, schnell und strukturiert erfolgen können.

Gute Voraussetzungen sind also gegeben – worauf kommt es an, damit Impossible Founders ein Erfolg wird?

Impossible Founders wird hoffentlich eine leistungsstarke Startup-Factory. Großartig wäre, wenn in ein paar Jahren alle drei Tage ein neues Wachstumsunternehmen vom Stapel läuft. Startup-Factory bedeutet in diesem Zusammenhang: All denjenigen, die ernsthaft Ideen für ein Startup haben, einen klaren und professionellen Gründungspfad bieten. Auf diese Weise braucht nicht jedes Gründungsteam das Rad neu erfinden, sondern Impossible Founders begleitet pragmatisch, schnell und systematisch.

Aber ist Gründen nicht auch sehr individuell?

Natürlich ist es das. Und zugleich ist es etwas, wo Erfahrung, bewährte Ansätze und erprobte Werkzeuge enorm helfen und etablierte Verbindungen und Wege genutzt werden können. Die Impossible Founders können – um erfolgreich zu sein – auf beiden Ebenen helfen: Sie bieten einen Best-Practice-Pfad, in dem die Gründer:innen etwa etwas über Fundraising, Vertrieb, Vertragsmanagement und andere übergreifende unternehmerische Themen lernen. Zugleich sollten die Impossible Founders auch die individuelle Entwicklung unterstützen: Zu industriespezifischen Kunden, zu Talenten, zu Partnern. Ich vergleiche Startup-Factories gerne mit einer Spinne im Netz, die einzelne Spieler:innen und Ressourcen miteinander verbindet und sicherstellt, dass es einen besseren Fluss an Möglichkeiten und Ressourcen gibt und dass jedes Startup eine hohe Dynamik entwickeln kann.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Impossible Founders mit Leitung Dorothea Ringe (von hinten) aus unserem Cluster "Unternehmerisch denken und handeln" © Impossible Founders

Das klingt alles sehr einleuchtend. Die Umsetzung dieser Ziele ist aber sicher eine Herausforderung. Gibt es denn noch weitere Herausforderungen für die Impossible Founders?

Die größte Herausforderung ist, dass sich die Szene der Gründer:innen weltweit extrem dynamisch entwickelt. Damit die Impossible Founders hier mithalten können, müssen sie selbst enorm schnell agieren. Es ist eine Frage der Geschwindigkeit. Es gibt Tausende von Chancen jede Woche – neue Technologien, Talente, Kundinnen und Kunden, Märkte, Partner, Kapitalgeber: innen usw. – das sind alles spannende Ansatzpunkte, die verbunden werden müssen, und je schneller das geht, desto besser um Wert zu generieren.

Wie wichtig sind bei alldem internationale Verbindungen?

Sie sind entscheidend, um neue Weltmarkführer aufzubauen. Auch hier sind Vernetzungen erfolgskritisch: Das können zum Beispiel strategische Partnerschaften mit anderen herausragenden Gründeruniversitäten und Inkubatoren weltweit sein, die einen Zugang zu ausländischen Märkten öffnen oder bei der Entwicklung helfen. Und natürlich beruht das immer auf Gegenseitigkeit: Auch ausländische Startups wollen Zugang zu Deutschland haben. Das Team von Impossible Founders ist hier bestens aufgestellt und international ausgerichtet.

Welche Rolle spielt die Europäische Union?

Die Europäische Union spielt eine zentrale Rolle für die Startup-Szene. Sie tritt als gewichtiger Förderer auf, durch verschiedene Unterstützungsprogramme und EU-Organisationen, darunter das European Innovation Council, kurz EIC, aber auch über Programme wie Horizon Europe oder den European Investment Fund, die gezielt Startups mit Kapital verbinden. Außerdem ist die EU regulatorisch entscheidend, sodass wir hoffentlich bald einen gemeinsamen europäischen Markt haben. Das Ziel soll sein: Ich habe EINE Zulassung meines Produkts für die Europäische Union und damit Zugang zu ALLEN 450 Millionen Menschen. Das ist dann für jedes Unternehmen ein sehr großer, attraktiver Markt. 

“Gerade in der Anfangsphase von Startup-Projekten ist Risikokapital in Europa häufig eher rar – Stiftungen füllen etwa durch die Förderung innovativer Hochschul-Teams eine Lücke.”

Prof. Helmut Schönenberger

Welche Rolle spielen Stiftungen beim Startup-Ökosystem?

Viele Initiativen und Projekte gibt es nur durch Stiftungen: Sie helfen häufig dort aus, wo kein anderes Kapital zur Verfügung steht – damit ermöglichen sie Dinge, die sonst nicht zustande kommen würden. Oft ist es so, dass ein Projekt dank einer Stiftung größer wird – und dann zum Beispiel erst Gelder von der EU bekommt. Gerade in der Anfangsphase von Startup-Projekten ist Risikokapital in Europa häufig eher rar – Stiftungen füllen etwa durch die Förderung innovativer Hochschul-Teams eine Lücke. Außerdem legen Stiftungen immer häufiger einen Teil ihres Vermögens in Startups an, das ist auch ein wichtiger Hebel. 

Um den Bogen zurückzuschlagen zu den Impossible Founders: Sie fördern ja vor allem Deep Tech-Startups. Welche Voraussetzungen braucht es, damit Deep Tech überhaupt entsteht und dann auch noch erfolgreich wird?

Für Ideen zu neuen Deep Tech-Startups ist Deutschland dank der starken Forschungsaktivitäten an Unis und in Forschungsgemeinschaften wie Helmholtz oder Max Planck ideal aufgestellt. Nun geht es aber darum, die Ideen zu Ausgründungen zu machen, und die Ausgründungen so voranzutreiben, dass die Ideen kommerzialisiert werden können. Denn jeder Euro, der in die Wissenschaft investiert wird, braucht privatwirtschaftlich noch einmal zwei weitere Euro, also doppelt so viel, um wenigstens die Chance auf wirtschaftlichen Erfolg zu bekommen. Das sind zu mindestens unsere Erfahrungswerte an der TUM und UnternehmerTUM. Beim Thema Venture Capital hat Deutschland also enormen Nachholbedarf: In deutsche Startups werden zurzeit jedes Jahr rund 8 Milliarden Euro investiert – es sollten aber mindestens 20 Milliarden Euro sein, um international wirklich wettbewerbsfähig zu bleiben. Die gute Nachricht ist aber: Die Offenheit und die Bereitschaft wichtiger Investoren nimmt zu, von allen Seiten. Ich habe die begründete Hoffnung, dass es in Deutschland bald richtig cool sein wird, ein Startup zu gründen und große unternehmerische Erfolgsgeschichten zu schreiben. Und das wiederum wird weitere Gründer:innen dazu anregen, als nächste Generation zu gründen. Das wäre eine positive Lawine, die ein Stück weit schon losgetreten wurde. Jetzt kommt es auf unsere Geschwindigkeit an, um eine neue Gründerzeit in Deutschland zu entfachen und weltweit weiterhin gut mitzuhalten.

Das Gespräch führte der Journalist Christian Heinrich für die Joachim Herz Stiftung.

Über Professor Helmut Schönenberger

Professor Helmut Schönenberger hat 2002 an der TU München gemeinsam mit der Unternehmerin Susanne Klatten und dem damaligen Universitätspräsidenten Professor Wolfgang Herrmann die UnternehmerTUM GmbH gegründet und ist bis heute ihr CEO. 

Er verfolgt das Ziel, mit den Unterstützungsaktivitäten von UnternehmerTUM skalierbare Hightech-Startups, Gründer:innen und Wissenschaftler:innen von der ersten Idee bis zum erfolgreichen Produkt zu unterstützen. Darunter fallen auch die Aktivitäten des Learning and Exchange Center (LEC) bei UnternehmerTUM. Gefördert von der Joachim Herz Stiftung unterstützt es seit 2024 zehn Startup-Factories in Deutschland, darunter „Impossible Founders“ in Hamburg.

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