Teach-Economy-Preis: Innovative Konzepte für den Wirtschaftsunterricht

Wirtschaftsunterricht mit innovativen, digitalen Lehrkonzepten gestalten: Mit dieser Zielsetzung hat die Joachim Herz Stiftung in diesem Jahr erstmalig den Teach-Economy-Preis ausgeschrieben.



Eleonore Graef

Mit Eleonore Graef, der Preisträgerin des 1. Preises, waren wir im Gespräch über ihr Lehrkonzept und ihre Erfahrungen mit Schüler:innen im Wirtschaftsunterricht. 

Mustergültig für den mit der Ausschreibung verbundenen Anspruch an zukunftsfähigen Unterricht nimmt ihre Unterrichtseinheit „Jugendliche und der Wert ihrer persönlichen Daten in der digitalen Welt - produktorientiertes Arbeiten im WBS Unterricht“ Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen, nutzt digitale Technologien und fördert kritisches Denken.



Frau Graef, Ihr Lehrkonzept setzt genau da an, wo Jugendliche sich tagtäglich bewegen, in ihrem Social-Media-Verhalten. Auf welche Reaktionen seitens Ihrer Schüler:innen sind Sie gestoßen?

Der Einstieg in die Unterrichtseinheit war ein Rollenspiel, in dem die Schüler:innen in unterschiedlichen Gruppen die Perspektiven der Verbraucher:innen und der Unternehmen einnehmen und in einem eigens dafür erstellten, datenschutzkonformen Raum aufeinandertreffen. Dabei stehen erstmal Spaß und Motivation im Vordergrund. Die Schüler:innen konnten teils das tun, was sie ohnehin in ihrer Freizeit beschäftigt, nämlich Bilder machen und überlegen, wie sie das Ganze im Internet darstellen. Gleichzeitig erleben sie auch, wie die anderen Gruppen reagieren, was besonders viel Spaß bringt, da die Gruppen voneinander nicht wissen, woran sie arbeiten.

Wir haben dann im späteren Verlauf über verschiedene Dinge gesprochen, die uns in den sozialen Medien oder bei Unternehmen zum Beispiel im Hinblick auf personalisierte Werbung begegnen. Da waren die Reaktionen dann oft Erstaunen und Überraschung, dass auf sozialen Netzwerken Daten über uns gesammelt werden, die dafür genutzt werden können, uns personalisierte Informationen oder personalisierte Werbung einzublenden. In dem Moment begannen die Schüler:innen zu begreifen, was da im Hintergrund eigentlich passiert und warum das so funktioniert. Eigentlich ist uns allen ja klar, dass jeder, der ein Produkt oder einen Service anbietet, dies erst mal aus einem eigenen Antrieb heraus tut. Das heißt, in der Wirtschaft geht es meist darum, Geld einzunehmen. Dies bedeutet aber auch, dass, wenn ich eine kostenfreie App anbiete, ich als Unternehmen auch etwas damit erzielen möchte.

Dies ist aus meiner Sicht der Knackpunkt, erstmals diesen Schlüsselmoment zu erleben, dass man hinterfragt, warum etwas überhaupt kostenfrei genutzt werden kann. Ich glaube, das ist das Spannendste, auch im Fach Wirtschaft, aufzudecken, dass in dem, was wir jeden Tag machen, viel mehr dahinter steckt, als wir im ersten Moment annehmen.

Im Hinblick auf die verschiedenen Theorien, wie Anreize funktionieren, ist auch klar, dass wir alle menschlich sind und oftmals diesen Reizen nicht widerstehen können, weil wir gerne in den sozialen Medien unterwegs sind oder uns dabei erwischen, wie Werbung für uns funktioniert hat. Ich glaube aber, dass der Schlüssel zu einem reflektierten Verhalten darin liegt, dass wir uns bewusst machen, dass es diese Anreize gibt.


Über das Rollenspiel kommen die Schüler:innen also zu der zentralen Schlussfolgerung, dass die Preisgabe persönlicher Daten Unternehmen einen ökonomischen Nutzen bringt. Wie erleben Sie die Schüler:innen bei dieser Erkenntnis?

Ich glaube, für viele ist die Preisgabe persönlicher Daten erst mal ganz intuitiv, weil sie denken, dass sie selbstverständlich ihre Daten hergeben. Viel wesentlicher ist jedoch das bewusst machen. Also, wenn wir darüber nachdenken, wissen wir, dass da etwas passiert. Das ist eine logische Schlussfolgerung. Deswegen war es für die Schüler:innen auch nicht überraschend, dass etwas mit ihren Daten passiert. Das Thema Datenschutz ist ja doch sehr präsent. Aber die Hintergründe zu begreifen und sie als alltägliche Entscheidung wahrzunehmen, ist ausschlaggebend.


Zentrales Anliegen in Ihrer Unterrichtseinheit ist das mündige Verhalten mit persönlichen Daten in unserer digitalisierten Welt. Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wie bewerten Sie den Vorher-Nachher-Abgleich in Bezug auf Ihre Schüler:innen?

Ich hab am Ende der Unterrichtseinheit einen Feedbackbogen ausgegeben und ich erinnere mich, dass rund die Hälfte der Schüler:innen gesagt hat, dass sie in Zukunft ihr Verhalten bewusster gestalten wollen. Rund ein Drittel hat angegeben, das Verhalten tatsächlich ändern zu wollen. Das Wichtige bei dem Thema ist aber, dass es sich bei dieser Unterrichtseinheit nur um eine von vielen in einer Woche handelt, die die Schüler:innen erleben. Dabei ist es ein Thema, dass immer wieder aufgerufen werden müsste, um die Relevanz der Thematik wach zu halten. Hier liegt die Schwierigkeit, die wir oft haben, dass wir ein Thema nur punktuell behandeln können.


Vom konkreten Anwendungsfall abgesehen, was sind für Sie zentrale Anliegen in der Unterrichtsgestaltung im Fach Wirtschaft?

Für mich ist das Fach Wirtschaft deswegen so spannend, weil ich finde, dass man da sehr viel für den Alltag mitnehmen kann. Es ist ja ein oft genannter Vorwurf, dass Jugendliche zwar Gedichtsanalysen schreiben können, aber nicht wissen, wie sie einen Mietvertrag abschließen. Darum ist für mich das größte Anliegen im Fach Wirtschaft, eine Relevanz zu schaffen, so dass die Schüler:innen erkennen, dass sie diesen Themen in unserer Gesellschaft nicht entkommen können und es daher wichtig ist, sich im Klaren über die Grundlagen zu sein, wie das Ganze funktioniert und in welchem Feld sie sich bewegen und auch bewegen müssen in der heutigen Gesellschaft.


Welche Tipps möchten Sie Lehrkräften mit Bezug zum Fach Wirtschaft mitgeben?

Aus meiner Sicht ist es das Wichtigste, Motivation bei Schüler:innen auszulösen. Das ist extrem schwierig. Ich glaube aber, dass wir im Fach Wirtschaft tolle Möglichkeiten haben, hier spielerisch und mit offenen Unterrichtsformen heranzugehen, zu diskutieren, Meinungen einzuholen. Das kann manchmal im Kleinen passieren, indem wir kleine Diskussionsgruppen haben, die sich dann vergrößern. Oder eben in verschiedenen Spielen in der Lebenswelt der Schüler:innen, in der sie sich ja im Wirtschaftsbereich bewegen. Es geht darum, über Offenheit für die Lebenswelt unserer Schüler:innen bei ihnen Motivation für die Thematik zu erreichen, damit sie das in ihren Alltag übertragen können und wollen. Und das erreicht man durch Spielen und diskutieren.


Über Eleonore Graef

Eleonore Graef ist Referendarin am Joachim-Hahn-Gymnasium Blaubeuren in Baden-Württemberg. Sie ist 29 Jahre alt und studierte im Master of Education Lehramt für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ulm.


Teach-Economy-Preis

Weitere ausgezeichnete Konzepte

Preisträger:innen (v.l.n.r.): Hans-Jürgen König, Eleonore Graef und Vanessa Bienfuß

2. Platz: Unterrichtseinheit „Ökonomische Bildung mit ChatGPT?“

von Hans-Jürgen König, Kaiserin-Friedrich-Gymnasium, Bad Homburg

Dieses Konzept befasst sich mit der Fragestellung, ob KI Schüler:innen dazu ermutigen kann, ökonomische Fragestellungen aufzugreifen und weiterzudenken. Dafür wird zu einem Fachthema zunächst eine vergleichende Analyse der Informationsbeschaffung (Lehrbuch, Suchmaschinen, ChatGPT) erstellt und dann zum Thema ein sachlich-analytischer Essay mithilfe der KI erstellt. Am Abschluss der Unterrichtseinheit steht die Erstellung eines Regelwerks für das effiziente Lernen mit ChatGPT in der ökonomischen Bildung.

3. Platz: Planspiel „Wirtschaften auf der Sonneninsel“

von Joachim Krämer und Vanessa Bienfuß, Ernst-Kalkuhl-Gymnasium, Bonn

Wirtschaftliche Prinzipien und Entscheidungsprozesse handlungsorientiert vermitteln – das ist das Ziel des Planspiels „Wirtschaften auf der Sonneninsel“. Indem die Schüler:innen die Rollen verschiedener Wirtschaftsakteure einnehmen und interagieren, setzen sie sich mit ökonomischen Zusammenhängen auseinander, entwickeln Strategien und erkennen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen.

Die Preise waren mit 2.000 Euro (1. Platz), 1.500 Euro (2. Platz) und 1.000 Euro (3. Platz) dotiert.


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