„Selbstheilender Beton dank Bakterien? Genau solche Ideen brauchen wir.“
Interview mit Clusterleitung Miriam Tidow

Neue Wege gehen, mutige Ideen ermöglichen – Miriam Tidow leitet das Cluster Neue Materialien und Ressourcen der Zukunft und setzt sich dafür ein, dass Innovationen in diesem Bereich schneller aus der Forschung in die Praxis gelangen.
Im Interview spricht sie über die Ziele des Clusters, warum sie die Arbeit in der Stiftung so schätzt und wie Neue Materialien helfen können, das Klima zu schützen.
Was möchtest du mit deinem Team mit Blick auf „Neue Materialien“ erreichen, kurzfristig und auch perspektivisch?

In diesem Jahr haben wir ganz bewusst – gerade vor dem Hintergrund der Energiekrise – das Thema fossilfreie Zukunft in den Mittelpunkt gestellt. Über fünf Millionen Euro können wir für interdisziplinäre Forschungsvorhaben zu Neuen Materialien und nachhaltigen Ressourcen vergeben. Das ist toll. Entscheidend ist nicht unbedingt die Summe, sondern dass wir damit wirklich neue Ansätze unterstützen wollen:
Je innovativer und damit vielleicht auch risikoreicher ein Projekt ist, umso besser!
Wir möchten dringend notwendige Lösungen aus der Forschung nutzbar machen – und zwar schneller, als uns das bisher in Deutschland gelingt. Denn obwohl es vielversprechende Ansätze in der Forschung gibt, bleibt der Sprung in die Anwendung eine große Herausforderung, vor allem in der kritischen Phase zwischen Grundlagenforschung und Marktreife.
Was war euer erster Schritt, um das Thema überhaupt anzupacken?
Als wir unsere Förderformate entwickelt haben, haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, wo und warum der Transfer ins Stocken gerät. Die Hürden liegen auf mehreren Ebenen: Auf der persönlichen Ebene fehlt es vielen Wissenschaftler:innen zum Beispiel an unternehmerischem Know-how. Gleichzeitig ist die Förderlogik in Deutschland oft sehr geschlossen innerhalb einer Disziplin gedacht und macht so fachübergreifende Vorhaben schwer. Und auf struktureller Ebene bremsen Limitierungen staatlicher Fördermittel den Weg in die Anwendung. Also ist hier das nötig, was in der Öffentlichkeit immer mit dem notwendigen „Bürokratieabbau“ gemeint ist.
Und was wollt ihr tun, um das zu ändern?
Wir setzen genau an diesen Hürden an: Unsere Förderformate „innovate! Akademie“, „Fonds“, „Lab“ und „Zentrum“ bieten jeweils maßgeschneiderte Unterstützung für Einzelpersonen, interdisziplinäre Projekte oder Institutionen. Ein erstes gutes Beispiel ist das „MaTeNa innovate! Zentrum“ an der Universität Bremen, das Ende 2024 gegründet wurde. Aufgrund unserer besonderen Förderstruktur – die auch eine kleine Innovation ist! – ist das Zentrum frei von öffentlich-rechtlichen Einschränkungen. Das verschafft der Hochschule mehr Flexibilität bei Transferaktivitäten.
Für dieses Jahr haben wir uns im Team außerdem vorgenommen, die ersten Ergebnisse unserer neuen Förderlinien genau auszuwerten, um daraus zu lernen und natürlich Verbesserungen vorzunehmen. Besonders gespannt sind wir auf den Abschluss des ersten Jahrgangs der „innovate! Akademie“ im September. Dann sehen wir, wie die Geförderten ihre Projekte umgesetzt haben, ob sich Ausgründungen andeuten oder Kooperationen mit Unternehmen zustande kommen.
Und langfristig?
In den kommenden Jahren wollen wir erfolgreiche Ansätze skalieren und bestehende Projekte ausbauen. Mit thematisch ausgerichteten Ausschreibungen, die sich an ganz konkreten gesellschaftlichen Problemstellungen orientieren, wollen wir gezielte Lösungen und Produktentwicklungen aus der Forschung ermöglichen. In diesem Jahr liegt der Fokus auf dem Thema fossilfreie Zukunft, als nächstes könnte es zum Beispiel um den smarten Umgang mit Wasser oder das Thema Kreislaufwirtschaft gehen.
Klar ist für uns: Die gegenwärtigen Probleme und strukturellen Rahmenbedingungen lassen sich nicht im Alleingang verändern.
Deshalb haben wir zum Beispiel den „Runden Tisch Transfer und Innovation“ ins Leben gerufen, mit dem wir weitere Stiftungen an einen Tisch holen, um zu besprechen, ob wir beim Thema Transfer in einen Schulterschluss gehen können. Vereinte Kräfte können einfach mehr bewegen.
Warum arbeitest du gerne für die Joachim Herz Stiftung?
Vor rund 15 Jahren, da war die Joachim Herz Stiftung erst zwei Jahre alt und noch absolut in den Anfängen, wollte ich nach meiner Zeit in der großen, etablierten Robert Bosch Stiftung etwas anderes machen und fand die Möglichkeit super, beim Aufbau einer Stiftung dabei zu sein und etwas ganz Neues zu gestalten. Und ehrlich gesagt: Genau das hält mich bis heute hier. Ich durfte immer wieder neue Themen und Aufgaben übernehmen, und diese Dynamik macht mir großen Spaß.
Ich durfte immer wieder neue Themen und Aufgaben übernehmen, und diese Dynamik macht mir großen Spaß.
Ich schätze es, wenn Dinge neu gedacht werden können und nicht auf Dauer an einmal beschrittenen Wegen festgehalten wird. Das ist zwar manchmal herausfordernd, aber auch unglaublich inspirierend. Die Stiftungsarbeit orientiert sich an den drängenden Fragen unserer Zeit. Immer wieder innezuhalten und zu prüfen, wo man Impulse setzen und Veränderungen anstoßen kann, ist für mich die zentrale Aufgabe von Stiftungen. Dabei geht es ja auch um Sinn – deswegen arbeite ich in einer Stiftung.
Du bist ja von Haus aus Geisteswissenschaftlerin. Woher kommt deine persönliche Begeisterung für die Thematik Neue Materialien und Ressourcen der Zukunft?
Neue Materialien bergen ein enormes Potenzial, um einige der größten Probleme unserer Gegenwart zu lösen. Wenn wir als Menschheit langfristig auf diesem Planeten leben wollen, müssen wir dringend nachhaltigere Wege finden, um mit unseren begrenzten Ressourcen besser zu haushalten. Gleichzeitig müssen wir Lösungen entwickeln, um mit den Folgen des Klimawandels wie Erderwärmung, Dürren und Überschwemmungen umzugehen.
Dabei können Neue Materialien helfen, und ich kann mit meiner Arbeit in der Stiftung dazu beitragen. Die Materialforschung arbeitet zum Beispiel daran, wie Energie effizienter gespeichert werden kann, wie Produktionsverfahren weniger Ressourcen verbrauchen oder wie Solarzellen und Batterien noch leistungsfähiger werden können.

Ein Beispiel, das ich großartig finde, ist Beton, der sich eigenständig heilt. Die Idee: Ein Bakterium im Beton sorgt dafür, dass sich feine Risse quasi von selbst flicken. So ließen sich größere Schäden vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen. Das könnte die Lebensdauer von Brücken und Gebäuden verlängern und Wartungskosten senken.
Die Materialforschung steckt voller spannender Ansätze für den Klimaschutz – und genau solche neuen Ideen und Innovationen brauchen wir jetzt mehr denn je.