Grosses Herz und klarer Blick

Das Porträt eines ungewöhnlichen Menschen. Verantwortungsbewusst und kreativ, diszipliniert und gleichzeitig freiheitsliebend, großzügig sowie bodenständig sparsam – den Hamburger Unternehmer Joachim Herz prägten starke und manchmal scheinbar gegensätzliche Charakterzüge. Ein Mann, von dem seine engsten Mitarbeiter sagen: „Er war einmalig und fast unbeschreiblich.“
Joachim Herz war unkonventionell, mit großem Herzen, klarem Blick und dem Wunsch, sein Leben selbst zu gestalten. Seine Überzeugung: Ein Mensch muss aktiv sein und nicht nur reagieren. Jeder sollte das Bestmögliche aus den eigenen Chancen machen können. Für den zweitältesten Sohn des Tchibo-Gründers Max Herz bedeutete dies, früh den eigenen Weg zu suchen – jenseits des Familienbetriebes und der Hamburger Gesellschaft. Anfang der 1970er Jahre nahm er erste Kontakte in die USA auf. Das Land wurde über die Zeit zu seiner großen Leidenschaft. Eine Zuneigung auf Gegenseitigkeit – entsprach doch Joachim Herz in vielem dem klassischen amerikanischen „self-made-man“: unabhängig, wissbegierig und erfolgreich.
Zur selben Zeit verlegte er sein Hamburger Büro nach Langenhorn - in den obersten Stock eines umgebauten Kaffee-Röstturms, mit Blick auf den nahegelegenen Flughafen Fuhlsbüttel. Von dort aus verwaltete er sein Vermögen. Heute ist der „Turm“ Sitz der Joachim Herz Stiftung – an den Wänden hängen von Joachim Herz gesammelte Bilder und Kunstwerke.
Eine Leidenschaft für Wirtschaftsfragen
Joachim Herz lernte seine zweite Ehefrau Petra mit 40 Jahren kennen. Fast drei Jahrzehnte lang arbeitete das Ehepaar nun Seite an Seite, Tag für Tag in ihrem Turm. Joachim Herz war hoch intelligent mit außergewöhnlich schneller Auffassungsgabe. Sein besonderes Interesse galt Wirtschaftsfragen. Er provozierte gern mit scharfsinnigen wie unorthodoxen Denkanstößen und suchte neue Zugänge. Er stellte Bestehendes in Frage. Detailliert und häufig über Stunden diskutierte Joachim Herz sowohl mit internationalen Finanzexperten als auch mit seinen Mitarbeitern. Zu einer Position überreden ließ er sich dabei nie, guten Argumenten aber blieb er aufgeschlossen.
50 Eichen zum Geburtstag
Joachim Herz war ebenso ein Mann des praktischen Zugriffs. So setzte er sich gerne auf seiner US-Farm in der Nähe von Atlanta, Georgia, ans Steuer der großen Bagger und Traktoren. Er liebte Wasser und legte auf dem Areal neue Seen an. Zum fünfzigsten Geburtstag seiner Frau pflanzte er dort 50 Eichen.
Joachim Herz war immer aktiv. Er war ein engagierter Segler und ein exzellenter Schwimmer. Sein alles überragendes Hobby war die Fliegerei. Sein erstes Flugzeug, ein Motorsegler aus Holz und Leinwand, erwarb er 1968. Noch heute steht dieses Flugzeug funktionstüchtig auf der Farm. Es folgten weitere Maschinen und ein Helikopter-Schein. Zum Schluss flog er eine siebensitzige Turboprop.
Gerechtigkeit und Fairness
Joachim Herz wusste genau um das Potenzial seines Vermögens. Hierfür hat er sich immer als Treuhänder gesehen. Seine Haltung war: „Besitz verpflichtet und muss gut verwaltet werden.“ Früh hatte er zusammen mit seiner Ehefrau die Idee entwickelt, eine Stiftung zu gründen. Bei der Konzeption des Stiftungsgedankens spielte Gerechtigkeit eine entscheidende Rolle.
Fairness war ihm stets wichtig, gerade gegenüber Schwächeren. Gerechtigkeit und ein ausgeprägtes Rechtsempfinden galten für Joachim Herz mehr als Harmonie um jeden Preis. Er verabscheute Oberflächlichkeit und lebte ein vorzugsweise privates Leben. Bei aller Großzügigkeit und Offenheit war er vorsichtig mit seinem Vertrauen. Er setzte auf einen engen Kreis langjähriger Berater und seine Ehefrau, die er im Testament als ersten Vorstand der Stiftung benannte.
International und unternehmerisch
So wie Joachim Herz sich selbst als Weltbürger empfand, so gab er seiner Stiftung eine internationale und moderne Ausrichtung. Er verfügte, dass die Joachim Herz Stiftung überwiegend unternehmerisch tätig sein solle. Bei seinen eigenen Finanzanlagen hatte er ebenfalls Wert auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gelegt. Mit einem eigenen Family Office verwaltete er sein Vermögen. Die Mitarbeiter dieses Family Offices sind heute ein Teil der Stiftung. Zusammen mit den Organen der Stiftung entscheiden sie im Sinne von Joachim Herz über das Stiftungsvermögen.
Satzung und Stiftungsauftrag festgelegt
Joachim Herz hatte zu Lebzeiten die Satzung detailliert festgelegt und die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung als Stiftungsauftrag bestimmt. Sein Unfalltod im Mai 2008 ließ ihn die Gründung der Stiftung nicht mehr erleben. Trotz ihrer Verzweiflung über seinen frühen Tod war es für seine Frau Petra Herz selbstverständlich, die gemeinsame Idee einer gemeinnützigen Stiftung zu verwirklichen.
Am 24. Juli 2008 wurde die Joachim Herz Stiftung als 1100. Hamburger Stiftung anerkannt. Sie ist nicht nur nach ihrem Stifter benannt, sie entspricht seinen Überzeugungen. Was ursprünglich von Joachim und Petra Herz geplant und konzipiert wurde, bildet das Fundament der gemeinnützigen Arbeit der Stiftung: Freiheit zu leben, Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu fördern, Menschen zu unterstützen, die sich weiterentwickeln wollen.
Ein paar Turnschuhe hinterm Rücksitz
Unten im „Turm“ der Stiftung steht heute sein geliebter alter VW-Bus. Er ist zum Stiftungsmobil geworden, das sich die Mitarbeiter bei Bedarf ausleihen. Hinter dem Rücksitz liegt noch ein Paar alter Turnschuhe – eine der zahlreichen greifbaren Erinnerungen an einen großzügigen, unkonventionellen und ganz besonderen Mann: Joachim Herz.