Lohnverhandlungen werden immer beliebter Führt dies zu mehr Lohnungleichheit in Deutschland?

Welche Rolle spielen flexible Löhne in Deutschland? Wie beeinflusst die zunehmende Verbreitung von Lohnverhandlungen bestehende Gehaltsdifferenzen, zum Beispiel zwischen Frauen und Männern? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein vierjähriges Forschungsprojekt junger Wissenschaftler:innen aus Deutschland und den USA.
Einem Großteil der Beschäftigten in Deutschland ist nicht bewusst, in welchem Umfang ihr Gehalt verhandelbar ist und was für Kriterien dabei entscheidend sind. Ist es die Länge der Betriebszugehörigkeit, das individuelle Engagement oder die Leistung im Vergleich zu Kolleginnen und Kollegen? Der ökonomischen Theorie zufolge spiegeln Gehaltsdifferenzen insbesondere die Qualifikation und unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer wider.
Allerdings können die Informationen über die Möglichkeiten individueller Lohnverhandlungen und die Bereitschaft Gehälter zu verhandeln auch ungleich verteilt sein. Dies könnte wiederum zu Lohnunterschieden führen, die sich nicht allein durch eine unterschiedliche Arbeitsproduktivität erklären lassen. Haben Männer zum Beispiel eine generell höhere Verhandlungsbereitschaft, dann könnte die steigende Verbreitung von Lohnverhandlungen zu größeren Gehaltsdifferenzen zwischen Frauen und Männern führen.
Gehaltsdifferenzen
Zusätzlich haben unterschiedliche Gruppen von Beschäftigten möglicherweise unterschiedliche Informationen über die Flexibilität und Verhandelbarkeit ihrer Gehälter. Auch dadurch können sich Gehaltsdifferenzen vergrößern. Deshalb ist es interessant, welche zusätzlichen Informationen helfen, die Gehaltsunterschieden zwischen verschiedenen Gruppen abzubauen. Diese bisher ungeklärten Fragen untersuchen drei Nachwuchswissenschaftler:innen an der University of California, Berkeley und am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit einem innovativen Forschungsdesign. Die Bedeutung flexibler Vergütungen in Unternehmen konnten Sie bereits in einer Pilot-Umfrage unter 300 Personalexperten nachweisen. Um ein repräsentatives Bild über das Wissen und die Bereitschaft zu Lohnverhandlungen in ganz Deutschland zu erhalten, kombinieren sie administrative Daten mit einer Umfrage von rund 10.000 Beschäftigten großer deutscher Unternehmen.
Relevanz für Unternehmen
Für Unternehmen sind individuelle Lohnverhandlungen ebenfalls zunehmend relevant, zum Beispiel um qualifizierte Mitarbeiter anzuwerben und zu halten. Die Wirkung einzelner Maßnahmen auf Lohnverhandlungen ist demzufolge auch für sie spannend. Deshalb untersuchen die Wissenschaftler in einem ökonomischen Feldexperiment, welche Wirkung eine Informationsbroschüre hat, die zufällig ausgewählt Beschäftigte erhalten und die wichtige Informationen über Gehaltsniveaus und die Erfolgswahrscheinlichkeit von verschiedenen Verhandlungsstrategien beinhaltet. Ziel ist es, die Wirkung der zusätzlichen Informationen zu messen und so den Unternehmen wie auch der Politik erste Anhaltspunkte zu liefern, ob bessere Informationen ein geeignetes Mittel sind, auch bei flexibleren Vergütungsstrategien effiziente und faire Gehälter eher zu gewährleisten.
Förderung
Die Joachim Herz Stiftung fördert im Rahmen des Forschungsprojektes von 2022 bis 2025 die Durchführung der Befragungen, die Umsetzung des Feldexperimentes und die Veröffentlichung der Ergebnisse in geeigneten Fachzeitschriften als frei zugängliche Open Access Publikationen.