Wie beeinflussen Eltern die Karriereentscheidungen ihrer Kinder? Ergebnisse aus einem innovativem Forschungsprojekt
Ausgangspunkt für Müllers Forschungsprojekt sind Daten des Nationalen Bildungspanels, einer groß angelegten Längsschnittstudie, die seit 2009 Daten über Bildungslebensläufe erhebt: etwa 20 Prozent aller Schülerinnen und Schüler-Eltern-Paare sind sich etwa ein bis zwei Jahre vor ihrer Laufbahnentscheidung uneinig darüber, ob es nach dem Abitur mit einem Studium weitergehen sollte oder nicht. Tatsächlich folgen dann bei Uneinigkeit mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schülern den Vorstellungen der Eltern und nicht den eigenen. Doch was passiert in den ein bis zwei Jahren zwischen Uneinigkeit und Wahl nach dem Abitur?
Genau hier setzt Müllers Forschungsprojekt an. Er untersucht, ob dieser Meinungswandel auch an der Anpassung an die Vorstellungen der Eltern liegen kann. Müller, der an der University of California, Berkeley in den USA in Volkswirtschaftslehre promoviert, hat zur Beantwortung dieser Fragestellung mehrere hundert Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler an Gymnasien und Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen und ihre Eltern ein bis zwei Jahre vor dem Abitur nach ihren Vorstellungen zum beruflichen Werdegang befragt und ihre Antworten miteinander abgeglichen. Wie die Schülerinnen und Schüler dann nach dem Abitur wirklich entschieden haben, wurde dabei noch nicht untersucht.
Interessanterweise sind die Unterschiede in Hinsicht auf Studierneigung und Offenheit gegenüber einer Ausbildung unter den Eltern ausgeprägter als unter den Schülerinnen und Schülern. Während sich 56 Prozent der Schülerinnen und Schülern ohne studierte Eltern ein Studium vorstellen und 68 Prozent der Schülerinnen und Schülern mit mindestens einem studierten Elternteil, liegen diese Anteile unter Eltern bei 56 und 77 Prozent. Der Unterschied ist also um fast 10 Prozentpunkte ausgeprägter.
Die Präferenzen der Eltern bleiben nicht ohne Konsequenzen: wenn Kinder unabhängig von ihren Eltern ihre Vorstellungen für die Zeit nach dem Abitur angeben, liegt die Studierneigung von Kindern mit und ohne studierte Elternteile nur 12 Prozentpunkte auseinander. Wenn Eltern die Vorstellungen ihrer Kinder jedoch einsehen können, steigt dieser Abstand auf fast das Doppelte an.
Ein ähnlicher Effekt besteht bei der Wahl der Studienrichtung. Schülerinnen und Schülern unter Beobachtung der Eltern geben häufiger Studienrichtungen mit höheren Verdienstaussichten an (wie zum Beispiel „Wirtschaftswissenschaften“) und weniger häufig Studienrichtungen wie „Kunst, Musik und Design“. Diese Beobachtung trifft erneut vor allem für Schülerinnen und Schülern aus akademisch-geprägten Haushalten zu.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Elternwünsche und das Bedürfnis der Kinder, diesen zu entsprechen, eine wichtige Rolle bei der Laufbahnplanung von Abiturientinnen und Abiturienten spielen.